Zur Sicherheit auf Gold setzen

Gold hat die Menschen seit jeher fasziniert und für tausende von Jahren war es sowohl universelles Zahlungsmittel als auch Wertspeicher. Auch Papiergeld war bis vor knapp 50 Jahren noch komplett durch Gold gedeckt.

Der US Dollar verdankte seinen Aufstieg zur weltweiten Leitwährung dieser strengen Golddeckung. Doch 1971 war damit Schluß und andere Währungen folgten auf dem Fuß. Seither können Zentralbanken die Geldmenge mehr oder weniger beliebig vermehren. Wir haben nur noch Fiat Geld, nach dem lateinischen Ausdruck für “so sei es”.

Spätestens seit der Bankenkrise von 2009 ist das Vertrauen in dieses System zu Recht schwer beschädigt und eigentlich haben wir uns gedanklich bereits mit dem nächsten Crash abgefunden. Niemand möchte ernsthaft in Frage stellen, dass er kommen wird. Lediglich über das “Wann” wird noch argumentiert.

Neben den neuen digitalen Werten wie Bitcoin und Altcoins, die genau vor diesem Hintergrund geschaffen wurden, bieten sich Edelmetalle als klassische Alternative zu Geld und Geldprodukten an.

Goldpreisenwicklung der letzten 20 Jahre
Goldpreisentwicklung der letzten 20 Jahre

Der Goldpreis hat sich im Laufe der letzten 18 Jahre von $300 pro Unze auf knapp $1.200 vervierfacht, das entspricht vereinfacht ausgedrückt einer Rendite von durchschnittlich 22% pro Jahr. Ebenso deutlich ist jedoch auch zu sehen, dass es 2013 einen Rückgang gab und sich seither nicht allzu viel tut. Daher mein erster Rat:

1. Gold ist eine langfristige Investition

Investiere nur Geld, das du innerhalb der nächsten fünf Jahre nicht brauchen wirst. 

Kommt der nächste Crash, wirst du dich über einen schönen Zuwachs wie in den letzten Krisenjahren 2009 bis 2011 freuen können. Darauf spekulieren solltest du dennoch nicht, die Notenbanken könnten sich auch noch eine ganze Weile durchmogeln wie bisher.

2. Investiere nicht auf Kredit

Auch wenn die derzeitige Zinslage die Versuchung aufkommen läßt, solltest du deine Edelmetalle niemals mit geliehenem Geld kaufen.

Das gesamte marode Finanzsystem beruht auf sofortigem Konsum bei aufgeschobener Bezahlung. Dein Gold wird ein Gegengewicht dazu bilden.

Das kann jedoch nur dann funktionieren, wenn du jetzt auf Konsum verzichtest, um später die Belohnung zu erhalten.

Nur Gold ist auch wirklich Gold!

3. Kaufe Gold, kein Papier

Nicht nur Währungen sind künstlich aufgeblasen. Schätzungen zufolge existiert 250 mal mehr Gold in Form von Wertpapieren, als physisch vorhanden ist. Manche behaupten, dass damit der Preis künstlich niedrig gehalten wird.

Der Sinn einer Anlage in Gold ist gerade, dass du damit eine knappe Resource erwirbst. Zertifikate oder Kontrakte sind dagegen nur ein leeres Versprechen.

Sie sind auch dann nicht empfehlenswert wenn versprochen wird, dass sie durch physisches Gold gedeckt sind. Im Falle einer erneuten Finanzkrise könnte nämlich die herausgebende Bank in Zahlungsschwierigkeiten geraten und ihr Versprechen nicht halten können.

Gewinne aus derartigen Finanzprodukten sind auch nur dann steuerbefreit, wenn die Wertpapiere einen Lieferanspruch auf echtes Gold beinhalten. Das hat der Bundesfinanzhof im  Februar 2018 erneut bestätigt. (Az. IX R 33/17). Die Spekulationsfrist beträgt ein Jahr.

4. Dein Gold muss dir auch gehören!

Auch das ist nicht so selbstverständlich, wie es sich anhört. Viele Finanzprodukte versprechen, das Metall für dich in einem Pool zu halten, ohne dir jedoch das Eigentum an konkreten Barren oder Münzen zu übertragen. Mit derartigen Produkten erwirbst du eben kein Metall sondern lediglich einen Anspruch auf die Auszahlung des Gegenwertes in Geld zum aktuellen Tageskurs. 

Das läuft auch dem Sinn einer wertstabilen Investition außerhalb des Geldsystems diametral entgegen. 

Kleiner Goldvorrat
Immer dabei. Gold für 6 Monate Leben

5. Halte einen Teil deines Goldes in kleinen Münzen

Wir wissen nicht, ob die Erwartung der großen Krise Verschwörungstheorie oder reine Angstmache ist. Es ist hingegen historische Tatsache, dass schon öfter Vermögen durch Inflation vernichtet wurden.

In Argentinien ist es ein Dauerthema und gerade erst habe ich in Venezuela erlebt, wie kompliziert der Alltag mit einer extrem instabilen Währung werden kann.

Auch Deutschland hat im letzten Jahrhundert zwei Mal eine völlige Geldentwertung erlebt. Niemand kann dir garantieren, dass so etwas nicht wieder passieren wird. Im großen Chaos der 1920er Jahre hatte schon eine Unze Gold einen enorm hohen Wert.

Ein Kilobarren taugt in so einem Fall natürlich nicht als Zahlungsmittel, nur kleine Einheiten machen als Krisenwährung Sinn. Ich halte zu diesem Zweck etwa 5.000 Euro in kleinen Münzen bereit. Das kleine Beutelchen passt problemlos in die Hosentasche und wiegt etwa so viel wie mein iPhone.

Münzen wie Krügerrand und Maple Leaf haben den zusätzlichen Vorteil auch als gesetzliche Zahlungsmittel zu gelten. Damit ist ihr Erwerb in Deutschland und vielen anderen Ländern von der Mehrwertsteuer befreit. Außerdem können sie problemlos gehandelt werden.

6. Wo kannst du deinen Goldschatz sicher aufbewahren?

Größere Mengen Gold kannst du natürlich nicht mehr mit dir herumtragen und es ist auch keine so tolle Idee, sie im Garten zu vergraben, falls du überhaupt einen hast. Mein Onkel hatte seine mächtige Bücherwand auf Goldbarren gestellt und das ging Jahrzehnte lang gut. Nicht einmal die Steuerfahndung hat sie entdeckt! Mit genügend Zeit finden Einbrecher aber einfach alles. 

Leider hat auch die Lagerung im Bankschließfach ihre Nachteile. Der Inhalt von Schließfächern ist meist nicht automatisch versichert und damit eine Versicherung im Schadensfall Ersatz leistet, musst du beweisen können wie viel Gold dort gelagert war. Das kann unter Umständen sogar mit Fotos schwierig werden, so dass es sich empfiehlt Zeugen zu haben. Bei aller Liebe zu meinen Mitmenschen, möchte ich persönlich in derlei Dingen Angelegenheiten keine Mitwisser haben. 

Denken wir wieder einmal pessimistisch, dann bleiben bei einer Bankenpleite Gold und weitere Wertgegenstände zwar immer noch dein Eigentum, doch hast du möglicherweise für eine Weile keinen Zugang zu deinem Schließfach. Gerade dann, wenn du es dringend bräuchtest.

Natürlich spricht auch die Möglichkeit staatlichen Zugriffs auf dein Privatvermögen gegen die Lagerung bei Geldinstituten.

singapur skyline bei nacht
Singapur ist ein sicherer Hafen für dein Vermögen

7. Lagerung bei Spezialunternehmen

Bei einem ortsunabhängigen Lebensstil kommt ohnehin nur die Lagerung bei einem darauf spezialisierten Unternehmen in Frage. 

Diese hat den zusätzlichen Vorteil, dass ich den Kauf und Verkauf von Edelmetallen von jedem Ort der Welt aus online erledigen kann. Wenn ich einen Vorrat an Münzen bei mir trage, spielt es auch keine große Rolle, wie weit es bis zu meinem Tresor ist.

Die meisten dieser Anbieter finden sich in London, der Schweiz und in Singapur. Ich habe mich schon aus Prinzip für einen Standort außerhalb Europas entschieden und halte mein Edelmetall bei der Firma bullionstar in Singapur. Erfahre bald mehr darüber in einem gesonderten Artikel.

8. Halte dich an die Gesetze

Bedauerlicherweise ist der alte Rechtsgrundsatz der Unschuldsvermutung inzwischen abgeschafft. Besonders dann, wenn es um Vermögenswerte ungeklärter Herkunft geht. 

Das neue Geldwäschegesetz erlaubt dir Goldkäufe mit Bargeld über 10.000 Euro nur noch gegen Vorlage eines amtlichen Ausweises. Der Verkäufer muss die Ausweiskopie zusammen mit dem Beleg über den Verkauf lediglich 10 Jahre lang aufbewahren. Noch besteht keine Meldepflicht für derartige Verkäufe. 

Falls dein Verkäufer jedoch aus irgendeinem Grund geprüft wird, solltest du die Herkunft der Barmittel belegen können. Es mag so gewesen sein, dass Oma 100.000 Euro im Küchenbuffet aufbewahrt hatte, dennoch werden die Behörden dies nicht als einwandfreien Herkunftsnachweis anerkennen und dein Gold beschlagnahmen.

9. Kaufe dein Gold anonym

Gold genge Bitcoin tauschen auf bullionstar
Auch das geht: Gold gegen Bitcoin

Wer bei früheren Goldverboten und Einziehungen seine Reserven verschwiegen hat, konnte damit rechnen, unentdeckt zu bleiben. In unserer vernetzten Welt sind die Maschen wesentlich enger.

Es ist also besser, wenn niemand in deinem Land von deinem Gold weiß. Noch kannst du im Goldhandel Münzen und Barren bis zum Gesamtwert von 10.000 Euro ohne Ausweispflicht kaufen. Pro Kauf versteht sich. 

Dann hast du jedoch wieder das Problem mit der sicheren Aufbewahrung. Viel eleganter ist es daher z.B. direkt bei bullionstar zur Lagerung in Singapur zu kaufen und mit Bitcoin zu bezahlen. Frag mich einfach, ich helfe dir gerne dabei.


10. Traue niemandem und schon gar nicht deiner Regierung!

„Es ist gefährlich, richtig zu liegen, wenn die Regierung falsch liegt“ Das Zitat von Voltaire hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Auch hier ist die Geschichte des letzten Jahrhunderts voller warnender Beispiele. Auch in Deutschland.

Schon die demokratisch verfasste Weimarer Republik erließ zur Bekämpfung der Inflation Verordnungen, welche nicht nur Gold und Devisenbesitz unter Strafe stellten, sondern auch zur Ablieferung dieser Bestände verpflichteten. Das Ganze wurde mit Razzien und Durchsuchungen durchgesetzt. 

Auch in den USA, dem Mutterland aller Demokratien, erließ Präsident Roosevelt 1933 ein Goldverbot und verpflichtete die Bürger ihre Bestände zum Preis von $24 pro Unze an die Regierung zu verkaufen. In der Folge wurde der Goldpreis bei $35 festgeschrieben. Das Verbot wurde erst nach über 40 Jahren im Jahre 1974 aufgehoben! Bei Zuwiderhandlungen drohten bis zu 10 Jahre Gefängnis.

Das ebenfalls demokratische England verbot seinen Bürgern 1966, Goldmünzen zu erwerben oder mehr als vier Münzen zu besitzen. Alle übrigen Stücke sollten bei der Bank of England abgeliefert werden, welche sie für die Deckung des Pfund Sterling benötigte.

Vor diesem Hintergrund fällt es nicht schwer zu erahnen, welche Verordnungen und Gesetze im Falle einer erneuten schweren Finanzkrise erlassen werden.

Benedikt Lechner
Benedikt Lechner
LEBENSKÜNSTLER
Seit Jahrzehnten erfolgreich

1000 Dollar in 6 Minuten – Bitcoin Evolution Erfahrungen

Vorhin hat mir eine Freundin einen Link aus einer facebook Anzeige geschickt.

Ich bin ihm gefolgt und habe staunend gelesen, dass der reichste Mann Spaniens, Amancio Ortega (ZARA, MANGO), den Spaniern etwas zurückgeben möchte. 100 Millionen habe er sich die Entwicklung einer revolutionären Trading Software kosten lassen. Denn es sei sein letzter Wunsch, Spanien zum reichsten Land der Welt zu machen.

In englischsprachigen Ländern wird der Look von CNN Tech imitiert und ebenfalls mit den Namen von Carlos Slim und Bill Gates geworben.

Immer jedoch wird im Text mehrfach der Link zu Bitcoin Evolution hervorgehoben. Auch dem bin ich natürlich gefolgt. Lest weiter über meine Erfahrungen mit Bitcoin Evolution.

Erfreulicherweise muss der Interessent nicht viel lesen, bevor er sich über Millionengewinne freuen darf. Schon nach nur 61 Tagen kann es soweit sein. Wie das gehen soll? Ich erfahre lediglich, dass es bei Bitcoin Evolution um kurzfristiges Trading und Mining geht. 

In Zeiten lähmend langweiliger Kursbewegungen muss die Software schon Wunder wirken. Warum sind selbst die Giganten der Mining Branche inzwischen knapp bei Kasse und landet ehemals teures Equipment auf dem Schrott? Das kann nicht stimmen.

Ein weiteres Indiz liefert die Tatsache, dass auf ein Impressum gleich mal ganz verzichtet wird. Wer hier investiert weiß nicht, an wen er sein Geld geschickt hat.

Aus Neugier eröffne ich dennoch ein Konto, um weitere Erfahrungen mit diesem Projekt zu machen:

Hocherfreut bin ich darüber, dass mein Passwort gleich im Klartext übermittelt wird. Noch schöner finde ich den Absender: “Shtockhoklm, Germany, 95170 Kenya”.

Doch es kommt noch besser. Noch während ich das “Demokonto” mit $1.500 Trading Guthaben öffnen kann, klingelt mein iPhone. Anruf aus Schweden, richtig Shtockhoklm!

Es meldet sich Paola Valverde mit charmantem Südamerikanischem Akzent und fragt, ob ich Benedikt sei. Dies von mir bejaht, stellt sie sich als meine “persönliche Investment Agentin” vor und bietet mir Ihre Hilfe dabei an, mein Trading Konto aufzufüllen. Schon mit nur €250 sei ich dabei, doch bei den exzellenten Chancen würde sie doch mindestens einen Einsatz von €1.000 empfehlen.

Ich erkläre Ihr, dass ich mir die Sache erstmal nur ansehen möchte, da ich genug Erfahrung im Crypto Bereich hätte, um das Ganze sehr reserviert zu betrachten. Sie fährt mit einem Redeschwall fort, den ich mit einem “Ciao” unterbreche und auflege.

sagenhafte Gewinne auf dem Papier

Am Bildschirm verfolge ich derweilen erstaunt, wie mein “Demo Guthaben” in atemberaubenden Tempo wächst. Nach nur sechs Minuten weist es einen Gesamtgewinn von $1.000 aus. Während ich mich noch darüber wundere, dass 1.500 + 1.000 eigentlich einen Kontostand von 2.500 ergeben sollten, klingelt wieder mein Telefon.

Diesmal ist eine Rufnummer aus Spanien, es meldet sich wieder Paola Valverde. Ich hätte sie vorhin nicht ausreden lasse, das wäre doch sehr unhöflich gewesen. Allemal sei sie eine Dame und als Mann sollte ich gefälligst Manns genug sein, sie anzuhören. Ich tue es dennoch nicht.

Dennoch bewundere ich Paola und ihre Nerven. Wenn auch das Geschäftskonzept windig ist. scheint die Firma Bitcoin Evolution in gestähltes Verkaufspersonal zu investieren.

Bitcoin Evolution Erfahrungen

Wie immer in solchen Fällen suche ich nun mal in Google nach “Bitcoin + Evolution + Erfahrungen”. 

Als erste Treffer werden ausländische Videos angezeigt, danach auf #1 der organischen Ergebnisse das Magazin Kryptoszene.de. Viele Erfahrungen werden in dem Artikel nicht geteilt. Der stark für  Suchmaschinen optimierte Text laviert zwischen der Empfehlung einfach mal €250 zu riskieren und der Aussage Kryptoszene könne keine Aussagen dazu treffen, ob es sich um einen Betrug handle.

Natürlich enthält der Artikel ganze sechs mehr oder weniger auffällige Affiliate links zu Bitcoin Evolution. Kryptoszene.de verdient also ganz unschuldig mit an diesem sehr offensichtlichen Betrug.

Besonders ärgerlich ist in dem Zusammenhang, dass facebook und Google gerade erst ihre Werbeverbote für Crypto Angebote gelockert haben. Schwarze Schafe wie Bitcoin Evolution und auch Kryptoszene schaden einer großartigen Idee. 

Miami for Business

Es herrscht kaum Verkehr auf der Autobahn in Richtung Atlantik, vor mir erhebt sich die Skyline von Miami und die Luft ist angenehm warm. Ich geniesse die Fahrt im offenen Cabrio und fühle mich wie im Film. Besonders hier, denn es sieht auch noch alles wie eine Kulisse aus.

Die Freude hält nicht lange an, denn am Ende der Mautstrasse beginnt dichter Verkehr. Von Ampel zu Ampel schiebe ich mich weiter zu meinem Hotel in South Beach.

Unter einem Sonnenschirm warten zwei Boys darauf, sich um mein Auto zu kümmern. Wie bitte $44 pro Tag? Es ist mir zu viel, ich rolle weiter und parke an der Straße. An der Parkuhr sind $3 pro Stunde fällig. Ich zahle für 3 Stunden und schwöre mir, den Mietwagen gleich morgen früh wieder zurückzugeben.

miami beach ocean drive
Kulisse Ocean Drive

South Beach

Am frühen Abend ist South Beach wie ausgestorben, außer Apartmentblocks, Hotels und einer der schier unzähligen Filialen von Starbucks gibt es hier nichts. Auch wenn ein unangenehm kalter Wind vom Meer durch die Straßen pfeift, möchte ich nicht für ein überteuertes Kaffeegetränk Schlange stehen.

Ein paar Querstraßen weiter finde ich einen Supermarkt und kaufe ein paar Flaschen Bier, eine Gallone Wasser und Teebeutel. Das Hochgefühl von vorhin ist komplett verflogen, als ich mich damit in mein Hotelzimmer zurückziehe. 

Immerhin bin ich nicht zum Spaß hier. Vor einigen Tagen wurde meine neue US Gesellschaft in Florida gegründet und ich bin nach Miami gekommen, um ein Bankkonto zu eröffnen. Das lässt sich, im Gegensatz zu allem anderen, nicht online erledigen. Leider fehlt mir noch die Steuernummer der Firma. Durch den Regierungs Stillstand hat sich bei den Behörden viel Arbeit angestaut und es wird wohl noch ein paar Tage dauern…

Miami Beach Sunrise
Sonnenaufgang am Beach

Ocean Drive

Der Wind pfeift noch immer, als ich früh morgens zum Strand gehe. Zwischen den hier gestapelten Sonnenliegen haben Obdachlose Schutz gesucht. Auch unter den Häuschen der Strandwächter schlafen noch einige.

Ein einsamer Angler und ich, sonst beobachtet niemand das Schauspiel des Sonnenaufgangs über dem Atlantik. Ich laufe, bis zu den Knöcheln im Wasser, Richtung Süden. Das Meer ist angenehm warm, der Wind flaut etwas ab und die Sonnenstrahlen gewinnen an Kraft. Ein schöner Morgen.

art deco
Art Deco District

Parallel zum Strand verläuft ein kilometerlanger Holzsteg, so langsam tauchen dort die ersten Jogger auf. Es sind fast nur durchtrainierte, bärtige Männer mit freiem Oberkörper. Die wenigen Frauen laufen eher gemächlich und miteinander schwätzend. 

Auf dem Ocean Drive öffnen die Restaurants zum Frühstück, ich setze mich in eines davon und beobachte, wie sich die Straße mit Touristen füllt. Miami Beach erwacht zum Leben.  Später besuche ich ein paar Immobilienbüros und studiere deren Angebote.

Einige der zum Verkauf stehenden Wohnungen sind in renovierten Gebäuden aus den 1940er Jahren und verfügen über die begehrte Lizenz zur Kurzzeitvermietung. Sie sind teuer. Unter $500.000 finden sich zumeist Angebote in den unzähligen tristen Apartmenthäusern aus den 1970ern und 1980ern, die sich von hier aus meilenweit in Richtung Norden aneinander reihen.

Ich bleibe vor der ehemaligen Villa des Modeschöpfers Gianni Versace stehen. Sie beherbergt jetzt ein Hotel und sieht aus wie eine florentinische Villa, der König Ludwig ein mittelalterliches Burgtor spendiert hat. Innen ist das Ding im Stil einer mexikanischen Hacienda gehalten und es passt so etwas von gar nicht in die harmonische Art Deco Bebauung am Ocean Drive. Vor dieser monströsen Geschmacklosigkeit endete auch Versaces Leben, im Streit mit einem Strichjungen. Was für eine Kulisse, was für ein Abgang.

Little Havanna

Miss little havanna
Auf der Calle Ocho in Little Havanna

In einem der Restaurants an der Calle Ocho in Little Havanna, nehme ich ein reichhaltiges Menü zu mir. Es ist nicht gerade das, was ich als gesundes Essen bezeichnen würde. Nicht umsonst sind die Ladies hier etwas üppiger, allemal schmeckt es hervorragend. Zur Verdauung gehe ich ein gutes Stück weiter entlang der SW 8th Street. Es ist das Zentrum der kubanischen Exilbevölkerung. Das sieht man an ein paar Zigarrenläden und ein zwei Mojito Bars. Ansonsten ist es die übliche Mischung aus Gebrauchtwagenplätzen, Pfandleihern und Supermärkten. Nach der Lebensfreude, die ich in Südamerika erlebt habe finde ich es ziemlich enttäuschend. 

Meinen 40. Geburtstag hatte ich im Loews Hotel gefeiert, ich kam damals öfter nach Miami und fand es großartig.

Am Ende dieser Reise um die Welt hatte ich einfach  keine Lust mehr auf noch ein weiteres Luxushotel, doch das ist ein Miami definitiv ein Fehler. Hier läßt du dich entweder auf die Show der Oberflächlichkeiten ein und wirfst dein Geld mit vollen Händen zum Fenster hinaus, oder du fühlst dich verloren und gelangweilt. Zur Abwechslung finde ich das allerdings auch nicht weiter schlimm.

Grenzen der Auto-Mobilität

Die USA waren das Mutterland individueller Mobilität und es erscheint mir so, als würde diese nun hier ihre Grenzen erreichen. In Miami ist es dank geringerer Bevölkerungsdichte noch nicht so weit gekommen, wie an der kalifornischen Westküste. Doch gefühlt stehe ich auch hier viel zu oft im Stau. 

Verkehr

Am Ziel angekommen, fällt es dann wieder schwer das Auto abzustellen. Der öffentliche Parkraum ist durchgängig mit Parkuhren reguliert und nicht gerade günstig. Private Parkplätze noch viel teurer, einzige kostenlose Alternative sind die Parkflächen von Einkaufszentren und großen Restaurants. Daher wundert es mich nicht, dass UBER in den Ballungsräumen der USA einen derartigen Erfolg hat.

Deshalb werde ich mir bei meinem nächsten Aufenthalt auch keinen Mietwagen mehr antun. Mein Traum vom Cabriofahren in Florida ist sowieso schon lange ausgeträumt. Im Stand brennt die Sonne nämlich schon im Februar derart gnadenlos, dass ich das Verdeck gern wieder schließe.

Smooth Business

Endlich, nach ein paar Tagen Warten ist auch die Steuernummer für meine neue Firma vorhanden und ich kann bei der Bank vorsprechen. Die Kontoeröffnung bei einer der großen Banken (ich halte dort seit über 20 Jahren ein Aktiendepot)  ist ein rundum positives Erlebnis. Ich muss lediglich Pass und Führerschein vorzeigen, einen Stapel Formulare unterschreiben und 100 Dollar in bar einzahlen. Das wars dann auch schon, ich bekomme sogar sofort eine giftgrüne Kreditkarte ausgehändigt. 

Parking dilemma

Sogar mein Parkproblem ist für mich am Ende günstig ausgegangen. 

Wer brav für jede Stunde $3 in die Parkuhr wirft, denkt nämlich viel zu europäisch. Dank kommunaler Überwachungsdienste bleibt bei uns in der Alten Welt auch kein noch so kurzer Verstoß ungeahndet. 

Dagegen heißt es in Miami “if ever”! Es gibt augenscheinlich noch immer nicht genug Einwanderer, um die vielen Parkzonen zu kontrollieren. Dank des herrlich pragmatischen Tipps der Hotelrezeption habe ich vier Tage lang rotzfrech vor der Haustür geparkt und dafür genau ein Ticket kassiert. Das macht $18 statt $144 an der Parkuhr oder $176 für den Parkservice. Den Strafzettel konnte ich zudem binnen zwei Minuten online bezahlen, mit American Express.

Doch, wie schon gesagt, wenn ich das nächste mal hier herkomme fahre ich nur noch UBER und buche mir dafür eine Suite in einem der feinen Hotels direkt am Strand.

In Miami sparsam sein zu wollen macht einfach keinen Spaß.

Tapferes Venezuela!

Ich halte die Bordkarte an mein Kinn und lächle fröhlich. Allerdings gehen mir trotz meines, per Selfie deklamierten, Optimismus ein paar Dinge nicht aus dem Kopf. Ich wäre bedeutend lockerer, wenn ich nach Russland fliegen würde.

Über Venezuela gibt es fast nur negative Berichte in der Presse, die anderen Teilnehmer unserer Reisegruppe sind abgesprungen und in Kommentaren auf facebook wird mir nicht etwa „Viel Spaß!“ gewünscht, sondern „Komm heil zurück!“.

Es ist die Rede von Raubüberfällen am helllichten Tag und Entführungen, doch letztlich passiert das auch woanders. Du kannst auch in London, Paris und sogar in Berlin (2017 im Schnitt zwölf Fälle pro Tag) zur falschen Zeit am falschen Ort sein. Richtig übel finde ich daher nur den Gedanken, dass ich auch der Polizei nicht trauen darf.

In Medellín hatte mir eine junge Venezolanerin erzählt, dass sie mit der Waffe an der Stirn zum Einstiegen in einen Polizeiwagen gezwungen wurde, dort alles abgeben musste was sie
bei sich trug, um dann in einer einsamen Gegend abgesetzt zu werden. Allerdings war sie auch am späten Abend alleine unterwegs gewesen und hatte den Polizeiwagen selbst angehalten.

All das werde ich garantiert nicht tun.

cayo de agua strand
Strand von Cayo de Agua auf Los Roques

Auf der anderen Seite wurden mir jedoch auch Videos von ausgelassenen Partys an Traumstränden gezeigt. Von Motoryachten, teuren Autos und gut gelaunten schönen Menschen in exklusiven Clubs. Keine Rede von Hunger und Gewalt.

So liegt die Wahrheit wohl dazwischen. Menschen gehen überall ihren Tätigkeiten nach, feiern, verlieben sich, freuen sich trotz aller Schwierigkeiten ihres Lebens.

Denn kaum etwas ist in Wirklichkeit so schlimm, wie die Berichterstattung es uns gerne glauben machen möchte.

Willkommen im Sozialismus

tourismusbuero am flughafen von Caracas
Gleich drei große Führer empfangen ihre Touristen


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Um die Ladezeiten möglichst kurz zu halten, habe ich Galerien mit mehr Bildern ausgelagert. 

Die Wand ist rot, davor sind Fahnen drapiert und diagonal absteigend die Porträts der drei großen Führer: Simon Bolivar, Hugo Chavez und Nicolas Maduro. Alle Abholer müssen von diesem Büro des Ministeriums für Tourismus akkreditiert sein. Auch wenn der Transfer vorab gebucht wurde, läuft der Kontakt ausschließlich über diese Stelle. Wer sich dennoch von einem falschen Taxifahrer entführen lässt, ist wirklich selbst schuld. Schon mal beruhigend.

Vom Flughafen aus geht es durch eine graue Gegend zu unserem Hotel, das am Strand liegen soll. Es ist fast Mittag, doch auf den Straßen herrscht kaum Verkehr, Staub liegt in der Luft, alles ist wie mit einem Grauschleier überzogen. Betonbauten aus den 1960er Jahren des letzten Jahrhunderts, vierspurige Straßen und trotz tropischen Klimas nur sehr wenig grün. Hier sieht es aus, wie in jedem Land der dritten Welt. Mich fasziniert die Atmosphäre, vielleicht weil sie mich auch an meine Jugendjahre im Portugal der 1970er erinnert.

hotel villa playa
Schon mal ein Hochsicherheitshotel gesehen?

Das Hotel heißt zwar Villa Playa, liegt jedoch mitnichten am Strand sondern in einem Villenviertel ein paar Querstraßen landeinwärts. Von außen wirkt es, praktisch fensterlos mit Stahltor, hohem Zaun und Scheinwerfern, eher wie ein Gefängnis. Hier bleiben die Crews der Fluggesellschaften und die paar Touristen, die nicht im Dunkeln weiter reisen möchten.

Unser Weiterflug geht früh am nächsten Morgen. Es gibt Bier, Wein, Rum und erstaunlich gutes Essen am Pool. Hinter einem Elektrozaun.

Sie hat Volkswirtschaft studiert, doch nun arbeitet sie als Kellnerin im Flughafenhotel. Xiomara wünscht sich natürlich mehr Freiheit, doch steht sie auch einer amerikanischen Einmischung sehr kritisch gegenüber, da sie befürchtet, dass das Land dann zwischen Walmart und Starbucks aufgeteilt werden würde und die Venezolaner weiter arm bleiben. Daher will sie lernen, was immer sie lernen kann und nach Spanien reisen. „Man kann dir alles nehmen, nur Wissen kann dir niemand mehr nehmen.“

Xiomara, Kellnerin

Wie aus dem Bilderbuch – Los Roques

los roques archipel
Der Hafen von Gran Roque

Um fünf Uhr morgens klopft es an der Zimmertür. Das aufmerksame Hotelpersonal erinnert daran, dass unser Bus zum Flughafen bereitsteht. Dort angekommen stehen wir verloren herum, wir finden keinen Schalter für den Check in. 

Der käme erst in einer halben Stunde verstehe ich zwar, kann es mir jedoch nicht vorstellen. Etwa 50 Minuten später wird dann aber tatsächlich ein Poster mit der Aufschrift “Fly Los Roques” aufgestellt und zwei junge Männer setzen sich hinter einen Tresen. Einer nimmt die Pässe entgegen, der andere schreibt sorgfältig von Hand die Passagierliste. Danach ebenso hingebungsvoll die Bordkarten. Sitznummern gibt es nicht, ich sichere mir einen Platz direkt hinter den Piloten. Es gibt auch keine Cockpittür!

Los Roques ist ein Archipel aus insgesamt 67 Inseln, eine knappe Flugstunde nördlich von Caracas mitten in der karibischen See gelegen. Es waren zwei traumhafte Tage, doch gibt es von dort nicht allzu viel zu erzählen. Ich lasse lieber die Bilder der Galerie sprechen.

Alex ist ehemaliger Boxer der Nationalauswahl und arbeitet jetzt für unsere Posada auf Los Roques. Er erzählt mir, dass die Versorgungslage insgesamt nicht schlecht ist. Los Roques sei zwar ohnehin eine andere Welt, doch auch in den Städten enthielten die sogenannten CLAP Kisten der Regierung genug, um die Ernährung zu sichern.

Alex, der Mann für alle Fälle

Stadtrundfahrt in Caracas

blick auf Caracas
Ausblick auf Caracas

Unser schwerer Geländewagen rollt schon seit geraumer Zeit über eine enge Straße steil bergab. Dann öffnet sich diese auf einen Platz. Er ist von Mehrfamilienhäusern aus den 1960er Jahren umgeben, die einmal ganz hübsch gewesen sein müssen. Hier wohnt die Mittelklasse, doch ist der Verfall unübersehbar. Anstrich und Putz lösen sich großflächig ab, die Geländer der Balkone sind verrostet und aus Ritzen im Mauerwerk wuchert Gras. Trotzdem ist alles sauber und so weit wie es eben geht in Schuss gehalten. Die Gegend wirkt arm, doch nicht verwahrlost.

Je weiter wir in Richtung Zentrum fahren, desto höher wird die Bebauung. Nun sind es Hochhäuser aus den 1970ern. Sie bieten ein ähnlich trauriges Bild. Die Geschäfte im Erdgeschoß sind zwar geöffnet, doch sieht es aus, als wäre hier die Zeit vor 30 Jahren stehen geblieben. Es sind an diesem frühen Nachmittag auch nicht viele Menschen unterwegs.

Straßenszene in Caracas
Straßenszene in Caracas

Wir erreichen die Metrostation „Central“. Hier stehen die „Zwillingstürme von Caracas“, ein großes Büro-und Einkaufszentrum. Einstmals waren sie der Stolz der aufstrebenden Ölnation, heute sind viele der Glasflächen blind, der Beton schwarz gefleckt. Auf Terrassen welken Pflanzen vor sich hin und viele Fenster sind selbst in den höheren Stockwerken vergittert.


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An der Metro Station Central

Hier  halten wir an, um neue Gäste unserer Posada abzuholen. Ich steige aus dem Auto, die Sonne brennt vom Himmel und auch hier ist kaum jemand zu sehen. Die Atmosphäre ist irgendwie bedrückend, deswegen gehe ich nur ein paar Schritte weit und mache Fotos von der unmittelbaren Umgebung.

Instinktiv halte ich Ausschau nach Motorrädern mit Beifahrer und nach Uniformierten. Beim klassischen südamerikanischen Raubüberfall hat immer der Kerl auf dem Soziussitz die Pistole in der Hand. Polizisten dagegen, könnten meine Knipserei zum Anlass nehmen und behaupten dass Fotografieren genau hier verboten ist. Dann wäre für den „Gesetzesverstoß“ meine Barschaft fällig und die Kamera dazu. Insgesamt fühle ich mich nicht sehr entspannt und setze mich gerne wieder in das verhältnismäßig sichere Auto, einen mächtigen Toyota Landcruiser mit abgedunkelten Scheiben.

Kennt ihr die Actionfilme, in denen der Held in irgendeinem Dreckloch der Dritten Welt Geiseln aus den Händen eines korrupten Finsterlings befreien muss? Genau so komme ich mir im Zentrum von Caracas vor. Einige dieser Filme spielten tatsächlich dort

Der einzige Fahrgast

Frank, einer der neuen Gäste, arbeitet hier als Taxifahrer. Erst letzte Woche wurde er mal wieder überfallen, diesmal als Fußgänger. Am helllichten Tag stoppt ein Motorrad neben ihm, der Kerl auf dem Soziussitz hält ihm eine Pistole an die Stirn und fordert das Smartphone. „Hier kaufst du dir einfach kein iPhone“ meint er lakonisch. Aus seiner Berufspraxis in den Straßen von Caracas könnte er wohl so manches erzählen, ist aber recht zurückhaltend. Er meint lediglich, dass Kollegen mit weniger Glück gleich um ihr Taxi beraubt wurden.

Ich frage auch diese beiden nach der Versorgungslage. Tania, Franks Freundin, meint das habe sich in den letzten Jahren sogar gebessert. 2016 hätten sie hauptsächlich von Mango und Yucca (einer Art Kartoffel) leben müssen, jetzt gebe es eigentlich alles, auch wenn man wissen müsse wo und wann.

Oase in den Bergen

Vor uns hat die Nationalgarde die Straße gesperrt. “Runter mit den Handys und schaut die Leute nicht an” rät Erwi, unser Fahrer. Die rechte Spur ist durch einen Pick-Up Truck blockiert, links und rechts der verbliebenem Fahrspur stehen Soldaten (und Soldatinnen), ihre russischen Schnellfeuergewehre halb im Anschlag. Langsam schieben wir uns an ihnen vorbei, sie blicken argwöhnisch in unser Auto, lassen uns jedoch weiterfahren.

Ich bin wirklich froh, als wir die Stadt verlassen. Wieder geht es auf der engen Straße steil bergauf. Von Caracas bis nach Calipan sind 1.600 Höhenmeter zu überwinden. Dort sieht die Welt komplett anders aus. Auch hier sind zwei Posten mit Bewaffneten zu durchlaufen, doch man kennt sich, tauscht durch das offene Fenster ein paar Scherzworte aus und fährt weiter. 

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass hier oben eine recht privilegierte Klientel wohnt. Die Grundstücke sind groß, wenn auch in die steilen Hänge gedrückt, alle Häuser sehr hübsch und gepflegt. In den Auffahrten parken schwere japanische Geländewagen, ohne die geht hier sowieso nichts.

Rodolfo, unser Gastgeber ist pensionierter Tierarzt und hat im Staatsdienst gearbeitet, Lebensmittelkontrolle. Von der lächerlichen Pension könne er nicht leben, doch Gott sei Dank habe er die Posada mit ein paar Bungalows zum Vermieten. Im zugehörigen Restaurant gibt es abends Rinderfilet mit Pommes, sowie Salat und Tomaten aus dem eigenen Garten. Auf den ist Rodolfo besonders stolz. 

Nein, uns fehlt es an nicht, wir haben alles. Über den Sozialismus kann er nur lachen: “Das ist das Paradies der Faulpelze und Nichtsnutze.”

Er hat uns nach Caracas gefahren und ist ebenfalls gegen Maduro und den Sozialismus. Glaubt jedoch, dass arme Leute auch in Europa immer weiter an den Rand des Existenzminimums getrieben werden. Die Gelbwesten Proteste in Frankreich zeigten das medienwirksam. Seinem Bruder, der seit 12 Jahren in Narbonne arbeitet musste die Familie aus Venezuela Geld schicken, damit er sich eine eigene Wohnung kaufen konnte. Von seinem Verdienst in Frankreich hätte er sich das nicht leisten können.

Erwi
Himmlische Ruhe in der Natur

Auch das Frühstück ist derart reichhaltig, dass wir mit einer Portion auch zu zweit bestens bedient sind. Not leidet hier wirklich niemand und alle Menschen, die ich in diesen fünf Tagen Venezuela befragen konnte haben mir das bestätigt. 

So sehr sie alle Maduro zum Teufel wünschen, glauben sie dennoch nicht daran, dass 300.000 Menschen vom Hungertod bedroht sind, wenn nicht sofort Hilfsgüter ins Land gelassen werden. Maduro nennt diese Hilfslieferungen ein “Trojanisches Pferd” und beschwört, dass Venezuela es nicht nötig hat zu betteln. 

Auch wenn ich mich nur kurz in diesem wunderschönen Land aufhalten konnte, scheint er nicht ganz unrecht zu haben. Versteht mich bitte nicht falsch, wenn ich einem Sozialisten etwas schlechtes anhängen kann, tue ich es gerne und aus ganzem Herzen, doch den hehren Absichten USA traue ich genauso wenig über den Weg.

Entgegen aller Unkenrufe habe ich gute Tage in Venezuela verbracht. Ich habe es auch geschafft, das Land an jenem turbulenten Tag zu verlassen, als Maduro die Hilfslieferungen gewaltsam gestoppt hat und die Beziehungen zum Nachbarland Kolumbien abbrach. Nach zwei Stunden Wartezeit an der Passkontrolle wegen eines “Systemfehlers”. Allerdings haben mich die Kolumbianer bei der Wiedereinreise ebenfalls eine gute Stunde warten lassen. Man fragt sich wofür.

Die Menschen, die ich hier kennenlernen durfte waren tüchtig und fantastisch motiviert, trotz oder gerade wegen der Schwierigkeiten im Alltag. 

Animo Venezula! Ich komme gerne wieder.


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Versunkene Kultur auf Rapa Nui

Marion drückt mich fest an sich und küßt mich auf beide Wangen. Dann hängt sie mir eine Blumenkette um den Hals und strahlt: “Willkommen auf Rapa Nui!” 

Die rechte Antriebswelle ihres alten Peugeot Vans kracht beim Anfahren markerschütternd. Marion sieht, wie ich das Gesicht verziehe und meint, dass die Ersatzteile ja schon lange bestellt wären. Es sei eben so eine Sache, alles käme mit dem Schiff und das kann dauern… Dann fährt sie fröhlich fort, dass sie mir nun erst einmal die Stadt zeigen werde, bevor wir zu ihrem Hotel fahren.

Hanga Roa
Skyline von Hanga Roa Downtown

Die ist recht übersichtlich, Hanga Roa besteht aus der Uferstraße und der parallel dazu verlaufenden Hauptstrasse. Dazwischen Querstraßen mit kleinen Bungalows in blühenden Gärten. Nahezu alle der 6.000 Insulaner leben hier, zusammen mit ihren Haustieren. Frei laufende Hunde, bin ich aus Asien gewöhnt. Dagegen lassen frei laufende Pferde, doch erst mal staunen.

Überhaupt strahlt der ganze Ort eine derart fröhliche Unbekümmertheit aus, dass ich mich auf Anhieb wohl fühle. Von Vorschriften scheint man hier jedenfalls wenig zu halten. Motorräder werden ohne Helm bewegt und den meisten Autos sieht man nur zu deutlich an, dass sie kein TÜV aus dem Verkehr ziehen kann. Gebaut wird mit dem was da ist und so, wie man es braucht. Dank der vielen tropischen Pflanzen sieht es dennoch sehr hübsch und irgendwie ordentlich aus. 

Marion erzählt mir, dass es auf der Osterinsel sogar ein Gefängnis gibt. Aufgrund der üblen Vorgeschichte chilenischer Unterdrückung darf nämlich keiner ihrer Einwohner auf dem Festland bestraft werden. Derzeit sitzen dort fünf Häftlinge. Einer wegen Totschlags bei einer Rangelei in der Kneipe, die anderen wegen häuslicher Gewalt. 

Außer den Prügeleien, meist unter Alkoholeinfluss,  gibt es keine Kriminalität. Die Insel kommt dem libertären Traum einer sich selbst regulierenden Gemeinschaft nahe.

Verträumtes Paradies

ein pferd im garten
Ein Gefühl von Freiheit und Abenteuer

In der Vergangenheit muss hier jedoch schreckliches geschehen sein, die Spuren weisen auf eine soziale und ökologische Katastrophe hin. Aus der jüngeren Geschichte wissen wir, dass die Überlebenden Rapa Nui in die Sklaverei verschleppt wurden und von den Chilenen als Zwangsarbeiter einer riesigen Schaffarm gehalten wurden. Am Ende blieben weniger als 200 der Ureinwohner übrig.

Den kleinen Flughafen gibt es erst seit1967, davor kam nur einmal im Jahr ein Versorgungsschiff der Marine vorbei. Einen regelmäßigen Schiffsverkehr gibt es allerdings bis heute nicht, die Osterinsel liegt 3.700 Kilometer vom Festland entfernt und der kleine Hafen von Hanga Roa ist nur für Fischerboote geeignet. Es kann also noch dauern, bis Marions Van die neue Antriebswelle bekommt.

Natur pur
Unterwegs auf der Osterinsel

Ich miete mir ein Motorrad. Leider ist der Hebel der Vorderradbremse abgebrochen, das scharfe Ende schneidet in die Finger der rechten Hand und viel Bremskraft bringe ich damit auch nicht auf. Nach wenigen Metern kehre ich um und bekomme eine andere Maschine. Diesmal ist der Kupplungshebel so verbogen, dass die linke Hand quasi darin gefangen bleibt, auch einen Rückspiegel suche ich vergebens. Es ist jedoch die letzte Enduro, sonst müsste ich Roller fahren. Vielleicht ist der TÜV ja doch keine so dumme Sache…

Außerhalb der Stadt stört das alles dann auf einmal nicht mehr. Wozu brauche ich einen Rückspiegel, wenn ich sowieso allein auf der Straße unterwegs bin? Es wird mich ganz sicher kein Pferd überholen, ich muss darauf warten, dass sie mich vorbeilassen. Oder eine Weile in gemächlichem Schritttempo einer Herde Kühe hinterherfahren. Ich habe es nicht eilig, die größte Entfernung beträgt etwa 15 Kilometer, die Sonne scheint und ich genieße den Wind in meinen Haaren. Auch ich fahre ohne Helm und genieße diese seltene Freiheit. 

Baumlose Landschaft

rano kao vulkan
Kratersee des Rano Kao

Markante Vulkane prägen die ansonsten baumlose Landschaft, dazwischen gibt es nicht viel außer Weideland. Wahrscheinlich hat der Bau der kolossalen Statuen so viel Holz verschlungen, dass die Insel im Laufe der Jahrhunderte komplett entwaldet wurde. Ähnlich wie Spanien im 17. Jahrhundert für den Bau der großen Armada. 

Außerdem muss eine beträchtliche Anzahl von Arbeitern damit beschäftigt gewesen und stand dadurch nicht für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung. Im 18. Jahrhundert muss die Lage wohl unhaltbar geworden sein, und es kam zu Hunger, Revolten und Bürgerkriegen. Als die Osterinsel 1722 entdeckt wurde, standen die kolossalen Statuen noch, 1784 berichtete ein anderer Reisender von deren Zerstörung. Was in der Zwischenzeit genau passiert ist, bleibt ein Rätsel. 

In den 1990er Jahren haben japanische Investoren die Statuen aufgerichtet und es begann ein sanfter Tourismus. Die Einnahmen daraus kommen jetzt auch den Nachfahren jener Ureinwohner zu Gute, die dieses Weltwunder geschaffen haben.

 

Moai am Rande des Rano Raraku
Moai am Rande des Vulkans Rano Raraku

Dabei wissen noch immer nicht ganz genau, was die Moaí genau darstellen sollten. Die vorherrschende Theorie sieht die Standbilder als Teil eines Ahnenkultes. Sie stellen herausragende Häuptlinge dar, die früher einmal persönlich benannt werden konnten.

Wen auch immer diese schweigend ernsten Steinkolosse verkörpern sollen, ich konnte mich ihrer Magie nicht entziehen. Bei aller Monumentalität haftet ihnen etwas rührendes an. Sie sind ein weiterer kolossaler und wieder vergeblicher Versuch, Macht und Ruhm über die menschliche Lebenszeit hinaus zu bewahren. Auch hier geschah es wieder rücksichtslos zu Lasten von Natur und Mitmenschen, doch es hatte derart fatale Folgen wie sonst nirgends.

Tahiti – traurig im Paradies

Unter Tahiti hatte ich mir, wie wohl die meisten, das Paradies in der Südsee vorgestellt. Schöne Frauen mit Blumen im Haar an palmengesäumten weißen Stränden mit tiefblauem Wasser. An den Stränden von Moorea und dem weit entfernten Bora Bora sieht es auch tatsächlich so aus. Doch gehören sie zu Resorts, die nicht nur sündteuer sind, sondern auch weitab des Lebens außerhalb.

In zwei Tagen geht es für mich weiter, so dass ich mich in einem nicht ganz so sündteuren Resort in der Nähe von Papetee, dem Flughafen eingemietet habe. Im Terminalgebäude spielt eine Band mit Trommeln und Ukulele zur Begrüßung. Das ist hübsch. Nicht so hübsch, dass vom bestellten Hoteltransfer nichts zu sehen ist. Noch schlimmer, dass mir ein Anrufbeantworter verkündet, dass das Büro seit 17 Uhr geschlossen ist. Es ist 23 Uhr und einer der Momente, in denen ich mir unglaublich verlassen vorkomme.

Black Pearl Resort Tahiti on a cloudy day
Hotelzimmer mit Meerblick

Angekommen, verbreitet das Hotel den unvergleichlichen Charme französischer Hotelketten. Ibis, Mercure, Novotel, wer käme da nicht spontan ins Träumen? Von Geschäftreisen nach Heppenheim, Kassel oder Leipzig.

Das „Black Pearl“ ist eine weitläufige Anlage im Betonstil der 1980er Jahre. Ab und an sorgt ein Dach aus Palmblättern für den lokalen Akzent und kontrastiert kokett mit den dunkel eloxierten Aluminiumfenstern. Die Minibar ist leer, im Restaurant gibt es Hinano Bier und ordentliches französisches Fastfood. Das allerdings zu Preisen, die an anderen Orten so manches Gourmet Restaurants nicht zu verlangen wagen würde.

Auch der Vulkansand am Strand ist nicht weiß, sondern schwarz und so höllisch fein, dass er in wirklich jede Ritze dringt.

Melancholische Wanderung

home in Tahiti
Nicht ganz das Bild von einem Haus am Strand

Der Himmel ist wolkenverhangen, dennoch ist es drückend heiß als ich mich meinen Weg beginne. Es ist Sonntag, auf der Hauptstraße, die parallel zum Strand verläuft muss ich auf dem engen Bürgersteig alle paar Meter Jungen Platz schaffen, die mit Wakeboards auf dem Fahrrad unterwegs sind. Wir lachen uns an.

Ein junger Mann mit einer Plastiktüte nimmt mich wahr, überquert die vierspurige Hauptstraße und geht ein Stück hinter mir her. Er ist vielleicht Mitte 20, gut durchtrainiert, trägt Streetwear und eine gestrickte Camouflage Mütze. Ich werde langsamer, auch wenn es heller Tag ist, möchte ich ihn nicht in meinem Rücken haben.

Er sagt bonjour, wir gehen nebeneinander her und nachdem wir beide festgestellt haben, dass es ein verdammt heißer Tag ist, stellt er die üblichen Fragen nach meinem woher und wohin. „Buenos Días amigo“, er kann ein paar Brocken Spanisch. Papeete sei verdammt weit weg meint er.

„Nur noch fünf Kilometer“ sage ich, „was sollte ich sonst hier tun?“  Wir schütteln uns die Hand. „Stimmt“ sagt er, „es gibt wenig zu tun hier und es gibt auch keine Arbeit.“ „Was machst Du denn dann?“ frage ich.

racing boat under a roof
Früher war alles anders

Er grinst „ich bin Pflanzer“ und deutet mit einer Kopfbewegung auf die grünen Hügel, die sich ein paar hundert Meter landeinwärts erheben. „Karotten und so?“, zwinkere ich.  „Nein, grüne Pflanzen!“

Ich halte die rechte Hand über meinen Kopf „etwa sooo hoch?“ „Und soooo dick“ sagt er und hält die Hände etwa einen Meter auseinander. „Und das geht gut?“ frage ich lachend. Er lächelt „Sehr gut sogar, ich sagte doch dass die Leute hier keine Arbeit haben“. Gras und Whisky.

grave on tahiti island
Man wird nicht alt im Paradies

Der Pflanzer biegt in Richtung Strand ab um ein paar Biere zu trinken, ich betrete einen kleinen Friedhof. Er liegt zwischen den Häusern mitten in einem Wohngebiet.

Die Gräber der armen Leute tragen schlichte weiße Kreuze, jene der Wohlhabenden Marmorplatten oder weiße Fliesen. Allen ist gemeinsam, dass nicht sehr viele Jahre zwischen Geburtsdatum und Todestag liegen. Kaum jemand schaffte es weit jenseits 70, erstaunlich viele wurden nicht einmal 60 und viel zu viele erreichten nicht einmal die Hälfte davon.

Es war mir zwar schon aufgefallen, dass viele Menschen hier nicht gerade schlank sind. Paul Gauguins Schönheiten haben ordentlich zugenommen. Dass allein das Übergewicht derart gravierende Folgen haben sollte, konnte ich mir auch nicht vorstellen. Eine mögliche Erklärung liefert mir Monique, die Bedienung der einzigen geöffneten Bar am Hafen von Papetee.

Frankreich hatte seit 1966 Atomwaffentests im Mururoa Atoll durchgeführt. Insgesamt 41 Bomben wurden dort bis 1996 (atmosphärisch und unterirdisch) gezündet, die strahlenden Teilchen fielen ins Meer.

Nun liegt Tahiti zwar 3.000 Kilometer vom Ort dieser Verbrechen entfernt, doch Fische wandern, Fischer fahren weit hinaus und bei einer Bevölkerung, die sich hautsächlich von Fisch ernährt, muss die Strahlenbelastung katastrophale Folgen gehabt haben. Es gibt allerdings nur sehr wenig „wissenschaftliche“ Daten zur Anhäufung der Fälle von Schilddrüsenkrebs in Französisch Polynesien. Warum sollte die Regierung auch Geld für Studien aufwänden, welche den unerfreulichen Verdacht auch noch beweisen würden?

street art in tahiti
Traum und Wirklichkeit

Was ich von Tahiti sehe, wirkt so als hätte es schon längst bessere Zeiten gesehen. Es ist eine Atmosphäre des tropischen Verfalls. Das Paradies wird verdammt trostlos, wenn die ursprünglichen Strukturen dem Geld geopfert wurden und dieses plötzlich aufhört zu fließen.

Monique ist halb Slowakin und halb Polynesierin, sie hat in Paris und London gelebt, doch nun hat es sie in die Heimat ihrer Mutter verschlagen. Ich frage nicht warum. Sie berichtet weiter von 30% Arbeitslosigkeit und sehr großen Problemen mit dem Alkohol. Aha, deswegen war auch die Hotelbar schon um 22 Uhr geschlossen. Natürlich hilft das nicht wirklich, wie einstmals in England wird einfach früher mit dem Trinken begonnen und die Schlagzahl erhöht.

Gauguin ist lange tot und das Zentrum von Papetee auch. Bretterverschläge verschließen Schaufenster von Läden, die wohl schon vor Jahren aufgeben mussten. Ich habe gelesen, dass die Verbreitung von Graffiti ein Gradmesser für den sozialen Verfall einer Gegend sei. Wo niemand mehr ein Geschäft betreibt, oder eine bürgerliche Wohnkultur pflegt, bildet  sich eine jugendliche Parallelkultur mit ihrer eigenen Zeichensprache.

road to rio
Was wohl daraus geworden ist?

Ich erreiche den Yachtclub von Papetee. Eine verblichene Wandmalerei kündet noch vom Träumen und Optimismus der Olympischen Segler. Was daraus wurde, weiß ich nicht. Ich fürchte jedoch, nicht allzu viel.

An einen der Tische im „Coconut Point“, dem kleinen Clubrestaurant, bestelle ich eine Flasche Bier, deren Etikett eine Gauguin Schönheit ziert. Dazu rohen Fisch mit Kokosmilch und Reis. Die lokale Spezialität. Das Lokal ist verhältnismäßig gut besucht, es ist dennoch sehr ruhig, die Gespräche sind gedämpft. Wir essen und blicken auf den kleinen Hafen, in dem die Boote still vor sich hingammeln. Die kleine Mahlzeit kostet mich fast 20 Euro, Tahiti ist ein teures Pflaster.

tahiti taxi driver
Ja, es ist ein Taxi

Die hohen Preise seien auch der Grund, warum die Touristen wegbleiben, erklärt mir der Fahrer auf dem Weg zurück ins Resort.

Ich hatte ihn zunächst für einen Obdachlosen gehalten, so wie er ein paar Meter von einem einsamen Taxi entfernt, mit freiem Oberkörper, im Schatten saß. Das ist dann auch das versiffteste Auto, in dem ich jemals gesessen bin. Das Armaturenbrett ist mit rotem Staub überzogen und zwischen den Sitzen herrscht ein unbeschreibliches Chaos aus zerknüllten Papiertaschentüchern, Essensresten und einer beachtlichen Sammlung von Strafzetteln. 20 Euro kosten die acht Kilometer. Das seien nun mal die Preise, er mache sie nicht.

Mein Flug startet um 3 Uhr morgens, ich bin dennoch heilfroh. Es gibt ein paar Orte, von denen ich sicher weiß, dass ich nie wieder dorthin zurückkehren werde. Tahiti steht jetzt auch auf dieser Liste. Eigentlich schade, die Menschen hier verdienen etwas besseres.

Müde in Melbourne

Hier liege ich nun, angekommen am anderen Ende der Welt. Die Hälfte meiner Reise liegt noch vor mir. Draußen scheint die Sommersonne bei angenehmen 28 Grad und es wartet eine Stadt auf mich, die zur lebenswertesten der Welt gekürt wurde.

Trotzdem kriegen mich keine zehn Pferde vom Sofa meines AirBnB Apartments. Gestern bin ich zwölf Kilometer gelaufen, habe über 50 Bilder gemacht, heute waren es bis zum Mittagessen auch schon wieder zehntausend Schritte und es bleibt noch so viel zu erkunden, so viel zu erleben, so viele Lokale zu besuchen, Speisen zu verkosten und Weine zu probieren.

Es ist einfach zu viel für fünf Tage, fünf Monate wären angemessen und so reagiere ich wie jeder, der sich überfordert fühlt: ich mache einfach mal nichts

Verdammt, ich habe einen Reise Burnout

an office desk in the dark with a laptop on it

Das gibt es, doch natürlich spricht niemand darüber. Reisende müssen geradezu immer glücklich sein, denn sie erleben jeden Tag tolle Dinge bei gutem Wetter und müssen nicht ins Büro. Selfies auf dem Sofa sind auch nicht geeignet den Neid der daheim gebliebenen zu erwecken. Weil Reisende kein Attest brauchen, um sich beim Arbeitgeber zu entschuldigen, gehen Ihre Beschwerden auch in keine Statistik ein. Sogar bei Google habe ich auch nur zwei Treffer zum Thema gefunden.

An sich ist die Sache ganz logisch: Auch Reisen verursacht Stress  und wer sich zu lange Stress aussetzt, reagiert mit depressiven Verstimmungen. Neudeutsch auch Burn Out genannt. Ganz gleich, ob die Belastung durch ausbeuterische Arbeitgeber verursacht wurde, oder hedonistische Selbstausbeutung beim Sightseeing.

Reisen ist Stress

Reisen ist Stress

Mal ganz ehrlich. Koffer packen, mitten in der Nacht zum Flughafen fahren, mehrfach Schlange stehen, beim einchecken, an der Sicherheitskontrolle und nochmals, um endlich an Bord gehen zu können macht keinen Spaß. Tut man es einmal für den großen Urlaub, ok. Doch wie wäre es damit, diese Prozedur alle paar Tage durchzuziehen?

Genau das mache ich jetzt schon seit einem Jahr, mit kurzen Pausen. Es ist kein Monat vergangen, in dem ich nicht zumindest zwei Flüge absolviert hätte. Dazu kommt, dass fliegen nicht einmal auf den vorderen Bänken ein ausgesprochenes Vergnügen ist. Fünf Stunden Zwischenaufenthalt sind einfach nervig, auch wenn ich sie in einer Lounge bei freien Getränken absitzen darf und an endlich Bord ein Glas Champagner in die Hand gedrückt bekomme.

Auf die schlaflose Nacht in Taxis, Lounges und an Bord folgen unweigerlich ein paar weitere Nächte mit Schlafstörungen durch Jetlag.

Veränderte Lebensumstände

Cambodia toilet

Wir mögen Veränderungen noch so sehr als Abwechslung von einem Alltag schätzen, den wir als langweilig empfinden, doch auch sie verursachen Stress. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, darin unterscheidet er sich nicht von den anderen Tieren.

Dummerweise halte ich das mitteleuropäische Klima zwar nicht aus, doch mag ich es auch nicht allzu warm. Über 30 Grad im Schatten bei entsprechender Luftfeuchtigkeit beeinträchtigen mein Wohlbefinden ziemlich stark. Mein Fehler, dass ich mich seit zwei Monaten in Südostasien aufhalte.

Das Essen dort vertrage ich hingegen besser, als die europäische Kost. Auch die etwas anderen hygienischen Bedingungen machen mir nichts aus. Viele Reisende haben damit extreme Probleme, für mich sind sie Bestandteil einer gewissen Exotik. Ehrlich gesagt, sehen deutsche Autobahntoiletten auch nur gepflegter aus. Sie stinken jedoch schlimmer als mein Referenzobjekt in Cambodia. Das wird nach jedem Besuch gewässert und gebleicht. 

Permanenter Erlebniszwang

queue of tourists

Während ich das schreibe, muss ich still über mich selbst grinsen. Ausgerechnet ich als ausgemachter Verächter von Sehenswürdigkeiten und jedweder Verpflichtung nehme die Absolvierung eines touristischen Minimalprogramms doch noch zu ernst.

Das liebe Unterbewusstsein… Schließlich habe ich mir das Reisen als hauptsächliche Lebensaufgabe ausgesucht und mir vorgenommen, darüber zu berichten. Also muss ich doch auch liefern!

Wäre es nicht unverzeihlich einen Ort zu verlassen, ohne atemberaubende Bilder und Erlebnisberichte, wen interessieren schon meine Befindlichkeiten? Für den Fall, dass es dem einen oder anderen meiner Mit-Reisenden auch so ergeht, habe ich ein paar Sofortmaßnahmen am Urlaubsort getestet.

Das süße Nichtstun

shiraz red wine and chocolate on a table

Ein bequemes Sofa, australischer Shiraz und Bitterschokolade nach einem Sushi Menu. Hört sich gut an, oder? Es ist obendrein (pseudo) wissenschaftlich erwiesen, dass diese Kombination stimmungsaufhellend wirkt. Dunkle Schokolade und Fisch enthalten jede Menge L-Tryptopahan für die Serotonin Produktion, Rotwein hingegen verzögert den Serotonin Abbau.

Noch wichtiger jedoch, den Lebensrhytmus auch auf Reisen zu entschleunigen. Idealerweise nur noch einen Ortswechsel pro Monat zu planen. Mal ganz ehrlich: wie viel kann ich von einer Stadt in zwei, drei Tagen, sogar einer Woche wirklich kennenlernen? Ich kann bestenfalls an der Oberfläche kratzen, ein paar Highlights ansehen, ein paar “angesagte” Lokale besuchen. Die Zeit ist jedoch viel zu kurz, um mit Einheimischen in Kontakt zu kommen, deren Lebensweise kennenzulernen und Vertrauen zu erwerben. 

Ich habe für meine Reise um die Welt nur etwas mehr als jene 80 Tage eingeplant, die Jules Verne als gerade noch machbare Utopie erschienen. Auch wenn ich große Strecken praktisch mühelos im Jet überbrücke, bleibt bei mir jedes Mal wenn ich einen Ort wieder verlasse ein schales Gefühl der Oberflächlichkeit zurück. Oft sehe ich auch aus dem Kabinenfenster und frage, mich was dort unten eigentlich ist. Finde es schade, dass mir das entgeht.

Für meine nächste Reise um die Welt werde ich mir daher 12 Monate Zeit nehmen. Mehr als drei Monate pro Kontinent (Afrika lasse ich aus). Vielleicht fahre ich sogar ganz in Ruhe die Route von Phileas Fogg nach.

Melbourne – die Perle Down Under

Eigentlich wollte ich nie nach Australien reisen, es erschien mir viel zu weit entfernt und obendrein voller tödlicher Gefahren. Bis mir ein lieber Freund von Melbourne vorgeschwärmt hat. Von der einzigartigen Lebensqualität welche die Stadt bietet und von den fantastischen Möglichkeiten dort als Investor einzuwandern. 

Nun, bei einer Reise rund um die Welt liegt sogar Australien irgendwie auf dem Weg und  so habe ich den eigentlich geplanten Besuch der Neuseeländischen Weingüter auf irgendwann später einmal verschoben und bin  gestern in Melbourne angekommen. 

Mit hohen Erwartungen, denn Melbourne wurde zur “lebenswertesten Stadt der Welt” gekürt. Auf den ersten Blick scheint sich das zu bestätigen. Sehr gepflegt und seine Mischung aus englischem Viktorianismus und tropischer Vegetation ist wirklich charmant. 

yanna river city view
Blick auf Melbourne über den Yanna River
melbourne city center
Viktorianische Architektur im Zentrum
st pauls cathedral
Die St. Pauls Kathedrale
modern architecture in Melbourne
Moderne Architektur
view from southbank
Blick von Süden

Im Gegensatz zu vielen Städten der sogenannten Neuen Welt hat Melbourne ein richtiges Zentrum. Mit einer neugotischen Kathedrale, einem Bahnhof und rechtwinklig angeordneten Einkaufsstraßen rundherum. 

Zwischen den Haupstraßen verlaufen die Lanes, früher einmal Zugänge für Lieferanten, dann später zum Teil überdacht und  zu Einkaufsgalerien herangewachsen, wie ich sie aus London und Brüssel kenne. In den Lanes spielt sich auch ein großer Teil der gastronomischen Szene ab. Angeblich gibt es nirgend so viele Cafés wie hier.

Als Europäer fühle ich mich sofort irgendwie heimisch. Nach Bankgok und Singapore erscheint Melbourne beschaulich und trotz seiner viktorianischen Architektur, mit viel rotem Backstein,  irgendwie mediterran. Das liegt natürlich am Klima, hier kann man draußen leben. 

Moderne Mischung

to work we go
pregnant and homeless woman sleeping on the floor
refugees welcome display on church
gay pride

Nach den Wochen im bunten Südostasien merke ich schon auf meinen ersten Metern in der Innenstadt, dass ich hier wieder in der ersten Welt gelandet bin. Toleranz und Vielfalt gibt es eigentlich überall, plakative Politische Korrektheit jedoch anscheinend erst ab einer bestimmten Höhe der Brutto Inlandsprodukts. 

Irgendwie scheint es mir so zu sein, als würde die Intellektuellenkaste der Industrienationen das kollektive schlechte Gewissen der Welt stellen. Überall mit den gleichen Konsequenzen. Schon auf der Fahrt vom Flughafen ins Zentrum empört sich mein indischer Taxifahrer darüber, dass auch in Australien Flüchtlingsfamilien mehr Hilfe vom Staat erhalten würden, als er mit seiner Arbeit verdient. Die Geschichte habe ich schon öfter gehört.

Liegt es daran, dass ich auf der Straße keine lachenden Gesichter sehe? In Melbourne machen die Passanten einen ähnlich gehetzten Eindruck wie in Berlin oder London. Dabei sind doch jedem Einzelnen von ihnen die Versorgung durch den Sozialstaat und alle bürgerlichen Freiheiten garantiert.

South Melbourne ist hip

south melbourne

Ich habe ein Apartment im Südlichen Teil Melbournes bezogen. Von dort aus, weiter in Richtung Ozean erstreckt sich ein Viertel mit einer Mischung aus Lagerhallen, Gewerbebauten und zweigeschossigen Häusern aus der zweiten Hälfte des 19 Jahrhunderts stammen. Sein Charme ergibt sich, wie an so vielen hippen Orten aus dem Kontrast zwischen Verfall und Neubeginn. Graffitti und Obdachlose sind in gleicher Weise wie Minis und Weinhandlungen Indikatoren für den Prozess der Gentrifizierung der auch hier stattfindet. 

Zuerst kommen die Hipster mit ihren Barbershops und Fahrradgeschäften, Weinhandlungen, Werbeagenturen und Yogastudios. Dann wird die Gegend unbezahlbar.

Billig ist es jetzt schon nicht hier ansässig zu werden, für ein viktorianisches Häuschen mit etwa 120 Quadratmetern Fläche werden über 1 Million AUD verlangt, gut über 600.000 Euro. Auf der Bay Street, die zum Ozean führt, finden sich eine Vielzahl schicker Läden und Restaurants mit mediterraner Küche. Italiener, Spanier und viele Griechen konkurrieren mit Thai und Indern. Ich bleibe bei den Asiaten. Links und rechts der Hauptstrasse erstrecken sich ruhige Wohnviertel, die mich sehr an Venice Beach in Kalifornien erinnern. South Melbourne hat den gleichen gepflegten Hippie Chic.

gentrification in progress
Gentrifizierung: Erst Graffiti, dann Mini
clarendon street at sunset
Clarendon Street mit Skyline
clarendon street facades
Viktorianische Ladenzeile auf der Clarendon Street
Limerick Arms Hotel
Limerick Arms Hotel
Millionenobjekt: Viktorianisches Häuschen
Millionenobjekt: Viktorianisches Häuschen
green south melbourne
Viel grün und ruhige Wohnstrassen

Fitzroy ist auch hip…

Melbourne Fitzroy

Vielleicht ist Fitzroy sogar noch hipper als South Melbourne. In diesem Viertel nördlich des Stadtkerns finden sich noch Tattoostudios, Second Hand Läden und Kollektivcafés in charmant vergammelten Häusern aus dem späten 19 Jahrhundert.  Es wirkt wie eine Kreuzung aus Totthenham und Kreuzberg. Britische Architektur und Alternativkultur auf Berliner Art. 

perseverance hotel fitzroy
Brunswick Street – Hauptstraße von Fitzroy
white van on brunswick street
Nemesis des Fotografen: Der weiße Lieferwagen ist überall
street art in fitzrock back alley
Graffiti im jedem Hinterhof
victorian home in Fitzroy
Gepflegte Anwesen in den Seitenstraßen
fitzroy street with monument
Britische Backsteinarchitektur

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