Hong Kong Der Duftende Hafen
Ich fröstle etwas in meinem T-Shirt, als ich das Flughafengebäude verlasse. Das hier ist nicht mehr Bangkok, in Hong Kong herrscht im Januar Winter, oder vielmehr: südchinesischer Winter. Natürlich ist der nicht so hart wie in Peking, oder Mitteleuropa. Doch den Südchinesen müssen selbst die 15 Grad bitterkalt vorkommen. Denn ich sehe viele Menschen mit dicken Daunenjacken, Schals und sogar mit Wollmützen.
Auch mein Taxifahrer trägt ein gefüttertes Hoodie von Adidas. Zumindest hat es drei Streifen am Ärmel, ob er es auch wirklich von Adidas gekauft hat, möchte ich bezweifeln. Allerdings bezweifle ich genauso, dass in Herzogenaurach Hoodies gefertigt werden.
Die Fahrt nach Hong Kong Island soll etwa etwa 40 Minuten dauern und kostet 300 Hongkong Dollar. Der Toyota ist blitzsauber, doch trotzdem er kommt mir vor, als hätte er schon gute 20 Jahre auf dem Buckel. Deswegen frage ich meinen Fahrer nach dem Baujahr und der antwortet mir ganz stolz, dass das Auto gerade mal einen Monat im Dienst ist. Ich wundere mich still, das Design wirkt definitiv, wie aus dem vorigen Jahrhundert.
Während ich diesen Beitrag schreibe, habe ich mal schnell gegoogelt: Der Toyota Comfort wird seit 1995 unverändert gebaut und erfreut sich in Japan, Singapore und Hong Kong größter Beliebtheit als robustes Fahrzeug für Taxiunternehmen und Fahrschulen. Aha, wusste ich es doch.
Hong Kong Harbour View Hotel
Unsere Fahrt geht über Autobahnen, vorbei an den gigantischen Hafenanlagen und über mehrere Brücken, bevor wir Hong Kong Island erreichen.
Mein Fahrer setzt mich am Harbour View Hotel ab. Ich zahle, bedanke mich und rolle meinen Koffer an die Rezeption. Merkwürdig, ich sehe keinen „Starwoods Preferred“ check in Schalter und überhaupt sieht das Hotel doch eher einfach aus. Der Mann an der Rezeption findet dann auch prompt keine Reservierung auf meinen Namen. Abends in einer Millionenstadt ankommen und nicht wissen wohin, ist auch in Zeiten von Google und Expedia nicht so schön. Ich sage noch mal „Harbour View Hotel“ und siehe da, es existiert ein weiteres mit dem Präfix „Renaissance“ und das ist nur fünf Minuten Fußweg entfernt.
Also schiebe und zerre ich meinen Rollkoffer noch etwas über die holprigen Bürgersteige, Google Maps weist mir den Weg. Seit Jahrzehnten ringt Hong Kong dem Meer ständig Land ab und daher ist die Uferzone an der Victoria Bay eine andauernde riesige Baustelle. Doch der Weg lohnt sich.
Das ist nur einer der Ausblicke, die sich mir für die nächsten fünf Tage bieten! Vom Bett aus sehe ich die Skyline von Kowloon jenseits der Victoria Bay. Das Star Island Fährterminal liegt mir zu Füßen, allerdings auch die erwähnte Baustelle. Der Lärm ist hinter den Isolierfenstern im 20. Stock nur zu erahnen. Unten auf der Straße war er ohrenbetäubend.
Als frisch gebackenes Marriott „Platin Member“ bewohne ich für die nächsten Tage eine Suite hoch über dem Hafen, zum Preis eines normalen Zimmers. Genug Platz für meine Yogamatte, ein traumhafter Platz zum Arbeiten und kreativ sein. Manchmal glaube ich echt, dass mein Leben wie ein Film ist. Vielleicht aber gestalte ich es auch nur nach Vorbildern aus Hollywood.
Das Renaissance Hong Kong Harbour View Hotel kann ich nur empfehlen!
Hong Kong per Straßenbahn
Marriott bezahlt mich nicht für die Werbung, also zurück zum Thema Hong Kong.
Das beginne ich am nächsten Morgen zu erforschen. Wie bei allen meinen liebsten Reisezielen, gibt es auch hier keine ausgesprochenen Sehenswürdigkeiten. Die Stadt als solche ist jedoch einmalig und unbedingt erlebenswert. Es war lange die Brücke zwischen dem Westen und dem geheimnisvollen chinesischen Reich, wurde zum erfolgreichen Experiment in Sachen Kapitalismus für das rote China und ist heute die Stadt mit den höchsten Immobilienpreisen der Welt.
Hier wird sehr viel Geld verdient und auch ausgegeben. Noch nirgends habe ich derart viele Rolex Konzessionäre gesehen und die komplette Riege der Luxusmarken ist in wirklich jeder besseren Shopping Mall zu finden.
Am besten habe ich Hong Kong Island mit der guten alten Straßenbahn kennengelernt. Ding-Ding wird sie liebevoll genannt und die doppelstöckigen Wagen stammen noch aus den 1930er Jahren. Zwischen den Wolkenkratzern von Central sind sie wirklich ein Relikt aus einer anderen Zeit. Hatten die Leute damals wohl weniger Eile?
Ich glaube sie haben sich genauso gehetzt gefühlt wie die heutigen Menschen. Immerhin waren auch diese ratternden Züge irgendwann der letzte Schrei der Technik und ermöglichten eine enorme Beschleunigung der Lebensweise. Auch wenn sie uns heute gemütlich vorkommt.
Ich hatte ein paarmal das Glück, Sitze in der ersten Reihe der oberen Etage zu ergattern und hatte von diesem Logenplatz aus gute Ausblicke auf die Stadt. Das zum fast schon anachronistischen Preis von 30 Cent pro Fahrt.
Fahre mit der Trambahn, eine billigere Stadtrundfahrt gibt es nicht!
Immer etwas überfüllt…
Ansonsten hatte ich mir öfter einen Hubschrauber gewünscht. Wenn schon Bangkok nicht gerade beschaulich ist, dann ist Hong Kong ein einziges Geschiebe und Gedränge. Hier stehen die Menschen sogar Schlange, um die Straße zu überqueren. Ich hatte das Gefühl, es hier mit einem guten Teil der Milliarde Chinesen zu tun zu haben.
In Zahlen ausgedrückt, ist Hong Kong mit 16.000 Einwohnern pro Quadratkilometer neben Monaco eine der am dichtesten besiedelten Städte der Welt. Kein Wunder, dass vielen Treppen und in den langen Gängen der U-Bahn sind sogar die Laufrichtungen vorgegeben sind. Auch hier herrscht Linksverkehr. Gut so, denn nirgends scheint die Smartphone Seuche weiter verbreitet zu sein, fast jeder starrt auf sein Display und schwimmt mechanisch im Strom mit. Wehe, da läuft ein unwissender Ausländer in Gegenrichtung.
Das alte China in Wan Chai
Die Viertel Central und Admirality waren von jeher westlich geprägt und von Ausländern besiedelt. Dort war das politische und kommerzielle Hong Kong, heute werden sie von Glaspalästen beherrscht.
Dagegen war Wan Chai fast ausschließlich von Chinesen besiedelt und dieses Viertel hat sich noch etwas von der ursprünglichen Magie des traditionellen China bewahrt. Auch hier herrscht Gedränge, doch eben keine geschäftige Hektik.
Geschäfte aller Art sind, säuberlich nach Straßen sortiert. Auf der Lockhart Road beispielsweise jede Menge Läden mit Sanitärbedarf und Parkett. Bei Wasserhähnen und Kloschüsseln dominieren deutsche Namen, edle und weniger edle Bodenbeläge kommen hingegen aus Italien. Völlig unerwartet stoße ich hier auch auf einige ruhige Plätze und kleine Parks. Fast könnte ich vergessen, dass ich in einer dicht besiedelten Großstadt bin, doch in Blick nach oben erinnert sofort wieder daran. Hochhäuser verstellen den Himmel.
Zwischendrin finden sich Tempel der drei vorherrschenden Religionen. Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus, in manchen werden alle drei in schöner Einigkeit verehrt. Das spart Platz und wer nicht weiß, für welche Gottheit die Räucherstäbchen hier gerade angezündet werden, spürt einfach nur die Spiritualität des Ortes. Oder zumindest dessen Exotik.
Auf den Märkten herrscht dagegen wieder dichtes Gedränge. Es fällt auf, dass Fisch und Meeresgetier häufig lebend angeboten wird. Findet sich ein Käufer, ändert sich das schnell und was eben noch im engen Becken schwamm ist im Handumdrehen filetiert. Ebenfalls lebend, die Filets zucken noch, wenn sie eingepackt werden. Auch das ausgestellte Fleischangebot lässt keinen Zweifel daran entstehen, dass es sich dabei um Teile von toten Tieren handelt.
Früchte und Gemüse sind da doch bedeutend appetitlicher anzusehen und erinnern mich daran, dass Menschen von Natur aus auch keine großen Tiere essen. Eine aufgeschnittene Wassermelone wirkt appetitlich, das Bild der Schildkröte ohne Panzer hat mich hingegen sehr unangenehm berührt. Ich habe mich dafür entschieden, dieses Foto hier nicht zu zeigen.
Auf der Des Voeux Road West reihen sich Läden von allerlei getrocknetem Meerestier aneinander. Was das alles im Einzelnen ist, möchte ich gar nicht wissen, mir reicht schon der Geruch. Wieder ein Indiz dafür, dass ich in meinem tiefen Inneren Vegetarier bin. Mache ich bei einer frischen Krabbe, oder einem schön marmorierten Steak noch Ausnahmen, finde ich das meiste, was ich auf den Märkten Hong Kongs sehe ekelerregend.
Schlendere durch Wan Chai und besuche den Pak Pai Tempel
Verdichteter Wohnraum
Die Bevölkerung Hong Kongs ist stetig gewachsen, Von 7.500 Menschen um 1850 bis zu den heutigen 7.500.000 hat sie sich vertausendfacht!
Dabei ist ein großer Teil der Fläche nicht bebaubar, steile Hänge und Felsen verhindern es. Das Wachstum konnte demzufolge nur in die Höhe streben. Weitere Fläche wurden dem Meer durch Landgewinnung abgerungen, um sie wieder platzsparend mit Hochhäusern zu bebauen. Eine derartige architektonische Verdichtung kenne ich ansonsten nur aus dem ähnlich dicht besiedelten Monaco. Hong Kong ist nicht so sauber, dafür viel größer und viel faszinierender.
Nach einem verheerenden Brand, der 10.000 Menschen das Leben kostete, beschloss die Regierung ein Wohnungsbauprogramm. Mitte der 1950er Jahre waren die ersten Einheiten der Mark I Häuser fertig gestellt. Sie boten auf rund 20 Quadratmetern Platz für eine Familie, gekocht wurde draußen, Toiletten und Bäder gab es etagenweise.
Zug um Zug wurde der Komfort verbessert, die Häuser wuchsen höher, doch die Enge ist geblieben. Hong Kong ist der teuerste Immobilienmarkt der Welt und eine 50 Quadratmeter Wohnung kostet eine runde Million. Die Miete dafür beträgt etwa 4.000 Euro monatlich.
Eine ähnliche Verdichtung von Wohnraum habe ich sonst nur in Monaco gesehen. Die geographischen Verhältnisse sind ähnlich, auch hinter Monaco ragen steile Hänge auf und verhindern weitere Bebauung. Dort lockt die Steuerfreiheit, hier große Verdienstmöglichkeiten. Hong Kong ist allerdings viel bunter, interessanter und nicht so sauber. Die Dichte an teuren Autos auf der Straße dürfte gleich sein.
Mit der Straßenbahn zur Centre Street und fahre auf der längsten Rolltreppe der Welt
Nicht versäumen: Star Island Fähre
Die 1888 gegründete Star Ferry Company ist ein weiteres Relikt des alten Honkong und für mich eine der Attraktionen, die ich mir auf keinen Fall entgehen lasse. Die herrlich altmodischen Schiffe aus den früher 1960er Jahren verkehren zwischen Wan Chai und Tsiem Sha Tui auf Kowloon und bieten eine spektakuläre Aussicht auf die Skyline von Hong Kong Island.
Die Fahrt dauert knapp 5 Minuten und kostet wiederum nur knapp 30 Cent. Damit ist die Fähre neben den Straßenbahnen das preisgünstigste Erlebnis, das man sich in Hong Kong gönnen kann.
Hollywoodreife Fotos von der Star Ferry aus schießen
Falscher und echter Luxus
Für manche Liebhaber von Markenartikeln ist Hong Kong eine Art Mekka. Auf dem sogenannten Ladies Market gibt es so ziemlich alle Fälschungen, die man sich nur vorstellen kann. Sogar so lustige Dinge, wie T- Shirts mit den Luis Vuitton Monogramm und GUCCI Aufschrift. Es gibt eben nichts, was es dort nicht geben würde. Ich habe sogar eine Fälschung meines BOSE Lautsprechers entdeckt, sofort zu erkennen am Leichtgewicht.
Ich bin so unvorsichtig, mir einen Gürtel der Marke HERMES näher anzusehen und befinde mich unvermittelt in einem Verkaufsgespräch. Das gute Stück soll 500 HKD kosten, doch während ich den Stand verlasse sinkt der Preis auf 200. Die Verkäuferin läuft mir sogar laut rufend ein Stück hinterher, um sich dann schimpfend zurückzuziehen. Es war keine gute Kopie. Die Kanten der H-förmigen Schließe waren nur unsauber entgratet, die Innenseite unbearbeitet rau. Dafür zierte sie eine Hermès Prägung, das Original hat keine.
Ich kaufe an einem anderen Stand einen wunderbar scheußlichen Kühlschrankmagneten.
Ganz in der Nähe des Marktes wartet eine wirkliche Attraktion auf mich. Tim Ho Wan, eines der wohl billigsten Restaurants, das mit je einem Michelin Stern ausgezeichnet wurde. Es liegt in einer der ärmeren Gegenden Hong Kongs und dementsprechend ist sein Charme. Man kommt nur des Essens wegen, denn das ist einfach himmlisch!
Es gibt nur Gedämpftes aus Bambuskörben und die Auswahl ist riesig. Ich kreuze ein paar Gerichte auf dem grünen Zettel an und bediene mich beim kostenlosen Jasmintee. Wein, Bier? Fehlanzeige! Noch bevor das Essen serviert wird, kommt die Rechnung: knapp 11 Euro für eine sehr reichhaltige Mahlzeit.
Auf keinen Fall versäumen: die knusprigen Brötchen mit Barbecue Pork Füllung. Außen leicht salzig, geben sie beim Hineinbeißen den würzig-süßen Geschmack der Füllung frei. Wahrlich Sterneküche.
Tim weigert sich trotz der Ehre und Berühmtheit, seine Preise zu erhöhen, oder gar sein Restaurant zu modernisieren. Das ist doch wahrer Luxus!
Damit sind wir am Ende meines Hong Kong Spaziergangs angelangt. Ich hoffe, Ihr habt ebenso viel Spaß beim Lesen und Betrachten der Bilder, wie ich beim Erleben und Schreiben dieses Artikels.
Bei Tim Ho Wan Barbecued Pork Buns essen!