Ich bin kein Ernährungsideologe. Ich bin Gourmet. Ich koche seit Jahrzehnten, nicht weil ich muss, sondern weil es für mich eine der sinnvollsten Tätigkeiten überhaupt ist. Kochen ist kein Mittel zum Zweck, kein Kalorienmanagement, kein Gesundheitsritual. Es ist die Voraussetzung für hochwertige Ernährung. Der einzige Weg, das zu kontrollieren, was ich zu mir nehme. Und genau darin liegt sein unschätzbarer Wert.
Ich habe Zeit. Viel Zeit, weil ich sie nicht für sinnlose Tätigkeiten vergeude. Wie zum Beispiel Fernsehen, oder Buchhaltung. Nicht zuletzt auch deswegen, weil ich mein Geld auf zeitsparende Art und Weise verdiene.
Und ich nutze diese Zeit sehr bewusst. Nicht für Optimierungsprogramme, nicht für Ernährungsdogmen, sondern für Dinge, die Substanz haben. Kochen und Essen gehören ganz oben auf diese Liste. Wer glaubt, Gesundheit entstehe durch Verzicht, hat meiner Erfahrung nach etwas Entscheidendes nicht verstanden.
Aus Freude am Leben
Essen ist für mich in erster Linie Freude. Am Produkt. An der Zubereitung. Am Geruch, an den Aromen, an der Textur. An der Ruhe, die entsteht, wenn ich mir meine Zeit nehme. Das beginnt damit, dass ich die Mahlzeiten plane. Ich schaue, was noch in Kühlschrank und Vorratsschränken schlummert, was „demnächst weg muss“. Dann überlege ich, was ich daraus zubereiten könnte und was mir noch dazu fehlt. Dann erst entsteht der Einkaufszettel.
Wann immer möglich, kaufe ich auf dem Markt und aus biologischer Produktion. Nicht, weil ich Panik vor Pestiziden, Hormonen und Antibiotika hätte, sondern weil diese Produkte einfach besser schmecken. Der Verzicht auf Chemie ist also eher eine Nebenwirkung – doch sicher keine schädliche.
Geht es um Fleisch – ja, ich esse gerne Fleisch – kann ich auch davon ausgehen, dass die Tiere frei gehalten wurden und ein würdiges Leben hatten. Kobe Rinder hören Mozart und werden mit Bier massiert! Ibérico Schweine ernähren sich in völliger Freiheit von Eicheln und Freiland Hühnern geht es ähnlich gut.
Auf dem Markt einkaufen bedeutet Kommunikation, es bedeutet sinnliche Wahrnehmung. Doch es bedeutet auch, nur das zu einzukaufen, was ich wirklich benötige! Es bedeutet auch den Verzicht auf die allgegenwärtigen Plastik-Verpackungen.
Ich koche nicht, um „richtig“ zu essen, sondern um gut zu essen. Der Körper merkt den Unterschied. Wenn ich nicht selbst koche, bin ich auf wenige, relativ teure, Restaurants angewiesen, die nach ähnlichen Grundsätzen einkaufen und zubereiten. Auf Reisen bleibt mir nichts andres übrig.
Deswegen muss ich Fett, Zucker oder Kohlehydrate nicht meiden wie der Teufel das Weihwasser. Ich vermeide einfach schlechtes Essen. Industriekram, der künstlich schmeckt und einfach nur satt macht. Dinge, die keine Seele haben. Wenn ich esse, dann richtig. Mit guten Zutaten, sauber gekocht, ohne Eile.
Das ist für mich nicht nur Lebensphilosophie, sondern Gesundheitspflege.
A propos Alkohol
Ich trinke seit über fünfzig Jahren Alkohol. Regelmäßig. Mit Genuss. Und ohne Probleme. Meine Leberwerte sind top, mein Schlaf ist gut, mein Kopf ist klar. Das mag nicht in jedes moderne Narrativ passen, doch es ist meine Realität. Maß entsteht nicht durch Verbote, sondern durch Erfahrung. Wer Genuss kennt, braucht keine Exzesse.
Es gibt für mich nur zwei valide Gründe keinen Alkohol zu trinken: Religiöse Gründe, oder weil man trockener Alkoholiker ist.
Alkohol ist für mich Teil der Esskultur. Ein gutes Glas Wein gehört zu einem guten Essen, so wie Hitze zur Pfanne gehört. Nicht als Betäubung, sondern als Begleitung. Wer Alkohol nur als Risiko sieht, hat ihn nie richtig eingeordnet. Probleme entstehen nicht durch das Glas, sondern durch den Umgang damit.
Die zunehmende Verteufelung alkoholischer Getränke und die immer strenger werdenden ärztlichen Empfehlungen für maximale Trinkmengen, sind für mich Teil der gleichen woken Unkultur, die uns auch Fleisch und Verbrennungsmotoren verbieten will.
Essen ist soziale Kommunikation
Ich esse langsam. Nicht als Achtsamkeitsübung, sondern weil gutes Essen Zeit verdient. Sättigung ist für mich kein Signal, das man erzwingen muss. Sie kommt von selbst, wenn man isst, was trägt. Wer hetzt, isst zu viel. Wer genießt, spürt, wann es reicht.
Dazu gehören selbstverständlich auch die Tischgespräche. In guter Gesellschaft zu essen, bedeutet doppeltes Vergnügen und wer viel redet, isst langsamer und damit gesünder.
Kochen ist für mich Fürsorge. Für mich selbst und für die Menschen, die mir nahe stehen. Gemeinsam zu essen, gut zu essen, ist eine Form von Bindung, die keine Worte braucht. Es ist Aufmerksamkeit in ihrer praktischsten Form. Wer kocht, kümmert sich um seine Lieben. Oma hatte recht.
Essen ist Medizin
Ernährung ist für mich nicht unbedingt Therapie, auch wenn ich ziemlich viel von ayurvedischen und traditionellen chinesischen Ansätzen halte. Doch ich glaube an Essen als Teil eines guten Lebens. Der Körper reagiert darauf. Nicht nur biochemisch, sondern ganzheitlich. Ein Mensch, der regelmäßig gut isst, in Ruhe, mit Freude, lebt in einem anderen Zustand als jemand, der sich die Nahrung nur zuführt.
Sieht man sich jene blauen Zonen an, in denen die Menschen besonders alt werden, fällt auf, dass sie sich dort ausgewogen und hochwertig ernähren. Olivenöl, Käse, Fisch, doch auch „böse“ Kohlehydrate.
In dieser Hinsicht erscheinen mir Diäten als besonders hirnrissig, weil sie Genuss zerstören und Misstrauen säen. Misstrauen gegenüber dem eigenen Körper, dem eigenen Hunger, der eigenen Lust. Das halte ich für gefährlicher als jedes Stück Butter. Wer Essen problematisiert, macht sich selbst zum Problem. Das sieht man an den stetig zunehmenden Essstörungen.
Ich habe in meinem Leben viel gegessen. Gut gegessen. Und ich habe gelernt, dass Qualität fast alles ist. Qualität der Produkte. Qualität der Zubereitung. Qualität der Zeit, die man sich nimmt. Der Körper reagiert erstaunlich vernünftig, wenn man ihn nicht mit Müll füttert.
Essen ist gelebte Freiheit
Ich nehme mir die Freiheit, zu essen, was mir schmeckt. Nicht wahllos, sondern bewusst. Ich weiß, was mir bekommt. Das lernt man nicht aus Büchern, sondern am besten am Herd. Über Jahre. Mit Fehlern. Mit Erfahrung. Genau wie alles andere, was Substanz hat.
Daher ist Kochen für mich kein Hobby, auch wenn ich es sehr gern tue. Es ist Teil meiner Lebensführung. Es erdet. Es strukturiert den Tag. Es schafft Rhythmus. Und es gibt mir etwas, das keine App und kein Tracker ersetzen kann: unmittelbare Zufriedenheit.
Wenn Essen für mich etwas mit Gesundheit zu tun hat, dann auf dieser Ebene. Nicht als Maßnahme, sondern als Ausdruck eines Lebens, das nicht gehetzt ist. Wer Zeit hat zu kochen, lebt anders. Wer anders lebt, wird seltener krank. Das ist keine Garantie, aber eine gute Ausgangslage.
Ich esse nicht, um länger zu leben. Ich esse, um gut zu leben. Dass beides oft zusammenfällt, ist kein Zufall.